Noch am Montag hatte die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses angekündigt: Die Entkriminalisierung von Cannabis werde im Dezember im Bundestag final verabschiedet. Daraus wird nun nichts. Die SPD-Fraktionsspitze ist dagegen.
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Netz: Der in der SPD-Bundestagsfraktion für das Thema Cannabis zuständige Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut MdB verkündete am Wochenende über Social-Media, dass die eigentlich für die letzte Sitzungswoche des Jahres geplante finale Lesung des Cannabisgesetzes (CanG) nicht zustande komme. Der Grund: Die Spitze seiner SPD-Fraktion habe Bedenken gegen die Aufsetzung geltend gemacht. Diese, so erklärte der bekennende Legalisierungsfreund per Videobeitrag, könne er zwar nicht nachvollziehen, die Aufsetzung werde aber nun ins nächste Jahr vertagt. Weitere Einzelheiten wollte Heidenblut nicht verraten.
Das kurzfristige Veto der SPD-Fraktion gegen die finale Beschlussfassung überraschte indes nicht nur die sog. Cannabis-Community, sondern auch die Koalitionspartner. So reagierte die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestages, Dr. Kristine Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) enttäuscht: “Es ist außerordentlich bedauerlich, dass Cannabis bisher nicht auf der Tagesordnung steht. Eine Aufsetzung wäre möglich gewesen”, schrieb die Abgeordnete auf X (vormals Twitter).
Kappert-Gonther hatte vergangenen Montag angekündigt, dass die Ampel das Gesetz noch im Dezember beschließen werde, nachdem man sich mit dem federführenden Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Minister Karl Lauterbach (SPD) über Änderungen am ursprünglichen Regierungsentwurf geeinigt hatte.
Ursache für SPD-Bremsmanöver unklar
Worin die Bedenken in der SPD bestehen, wollte die für Cannabis in der SPD-Fraktion zuständige Rechtspolitikerin Carmen Wegge nicht verraten: “Wenden Sie sich hierzu am besten direkt an die Fraktionsspitze, sie kann Ihnen die Frage beantworten.” Doch auch die “Fraktionsspitze” schweigt bzw. spricht in Allgemeinplätzen. Eine Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion erklärte: “Das im Koalitionsvertrag verabredete Cannabis-Gesetz befindet sich auf der Zielgeraden. Wir sind zuversichtlich, das Gesetz im neuen Jahr im Bundestag zeitnah zu verabschieden. Damit wird der Weg frei für mehr Gesundheitsschutz in der Cannabispolitik.”
Unklar bleibt damit auch, ob die SPD-Fraktionsspitze mit dem Gesetz inhaltlich ein Problem hat oder ob ihr nur der Zeitpunkt der Verabschiedung in Zeiten der Haushaltskrise kurz vor Weihnachten unpassend erscheint. Und “Zuversicht” der SPD-Pressesprecherin hin oder her: Nicht ausgeschlossen erscheint, dass das Gesetz “auf der Zielgeraden” vielleicht auch noch komplett gestoppt wird.
Das aktuelle Bremsmanöver der SPD-Fraktion passt im Grunde zum bisherigen Werdegang des Gesetzes. So ist das Ampel-Vorhaben “Cannabis-Legalisierung” seit Anfang an von beispiellos inhaltlichen Fehleinschätzungen, Streit innerhalb der Bundesregierung und reihenweise Verzögerungen geprägt: Eckpunktepapiere mussten nachgebessert werden, das Vorhaben wurde auf zwei Säulen verteilt, schon die erste Lesung des Säule-1-Gesetzes wurde im Oktober - angeblich - wegen des Angriffs der Hamas auf Israel vertagt und eine ursprünglich für November geplante finale Beschlussfassung scheiterte aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen Fraktionen und BMG.
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Dass die SPD-Fraktionsspitze jetzt die finale Cannabis-Abstimmung für dieses Jahr abgesagt hat, stieß auch in Teilen der Opposition auf Kritik. “Es ist politisch so dumm, dass die SPD-Führung das Cannabis-Gesetz aufhält”, empörte sich der stellvertretende Parteivorsitzende und drogenpolitische Sprecher der Linken Ates Gürpinar auf X. “Sie beugt sich dem Kulturkampf der Rechten einmal mehr - und macht sie damit größer. Das Rumgeiere bei der Legalisierung hält das Thema von rechts am Kochen. Ziehts halt durch, verdammt nochmal”, so der Abgeordnete.
Versprechen aus Koalitionsvertrag längst gebrochen
Längst steht fest: Die noch im Koalitionsvertrag vereinbarte Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften, wird es in dieser Wahlperiode ohnehin nicht mehr geben. Grund dafür ist, dass dem federführenden Bundesgesundheitsminister erst sehr spät auffiel, dass der geplante staatliche Handel gegen internationale Abkommen und vor allem gegen Europarecht verstoßen könnte.
Das insoweit noch ausstehende Säule-2-Gesetz sieht daher nur regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vor und soll voraussichtlich der EU-Kommission noch zur Prüfung vorgelegt werden. Eigentlich hatte Lauterbach das Gesetz für “nach der Sommerpause” angekündigt. Im Dezember 2023 existiert hierzu jedoch noch nicht einmal ein Eckpunktepapier.
Strategielos zu wählen ist besser? Politik bedeutet immer Kompromiss, außer vielleicht in einer Diktatur (aber wahrscheinlich selbst dort). Die eigene Stimme kann man nur dazu einsetzen, Kompromisse zu erreichen, die einem besser gefallen als die Alternative.
Strategisch zu wählen ist nicht das Gegenteil davon, ideologisch zu wählen. Nur wer sowohl bereit ist, für den Kompromiss zu stimmen, aber auch bereit ist, sich abzuwenden, wenn die andere Seite ihrerseits kompromisslos bleibt, kann was erreichen.
Das heißt nicht, dass man der SPD nicht vorwerfen sollte, zu schnell einzulenken und den Kompromiss zu sehr zu suchen. Aber ein bisschen Strategie gehört halt auch dazu.
Ich weiss nicht, ob wir den Begriff gleich benutzen.
Ich rede auch nicht über meine Verachtung der SPD gegenüber.
Strategisch zu wählen bedeutet für mich nicht den eigentlich eigenen Ansichten nach zu stimmen, sondern einer wie auch immer gearteten Strategie nachzulaufen und dadurch in der Gruppendynamik erst zu zementieren, dass sich nichts ändert.
Eine polemische Überspitzung: Es gibt eine kleine Nischenpartei, die alle geil finden aber jeder denkt sich insgeheim “Wenn ich die wählte, wäre meine Stimme verloren. Daher wähle ich lieber strategisch das geringste etablierte Übel.”
Ich glaube, wir haben ein ähnliches Verständnis vom Begriff strategisch wählen.
Ich glaube einfach
nicht, dass wenn eine solche Nischenpartei existiert, die sehr vielen gefällt, das daran liegt, dass sich diese Partei bisher einerseits auf wenige Kernforderungen konzentrieren konnte, und sie andererseits bislang keine Kompromisse eingehen musste, um regieren zu können. Sobald so eine Partei größer werden würde, würde sie dann doch für viele ihrer Unterstützer wieder nur das geringere Übel sein, so wie die etablierten Parteien. Das ist einfach deshalb so, weil unsere Gesellschaft ziemlich divers ist, und es keine einzelne Lösung gibt, die allen, oder auch nur der Mehrheit, gefällt.Was das strategische Wählen und das Wählen nach dem eigenen Gewissen anbelangt, braucht es beides. Wählergruppen, die nie strategisch wählen, sind für Parteien, die regieren wollen, uninteressant, da die sie eh nicht erreichen können. Bei Wählergruppen, die immer strategisch wählen wiederum, können sich dieselben Parteien darauf verlassen, dass sie bloß das geringste Übel sein müssen, um gewählt zu werden.